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Alte Apfelsorten für Allergiker: die Inhaltsstoffe des Apfels

von Ulrich Kaiser

An apple a day keeps the doctor away – wer kennt diese englische Redewendung nicht, die Äpfeln eine besondere gesundheitsfördernde Wirkung zuschreibt. Aus was Äpfel genau bestehen, wie vielfältig ihre Sorten sind und was Apfelallergien hervorruft, erfahren Sie in diesem Artikel.

Nach einem langen Tag auf der Obstwiese freut sich der Obstbauer über eine volle Ladung saftiger Äpfel. © Pixabay

Inhaltsverzeichnis

Der Apfel und seine Inhaltsstoffe

Eine Analyse der Früchte zeigt, dass diese in der Regel 85 % Wasser, 10 % Zucker, 2% Rohfasern und zudem weitere Inhaltsstoffe enthalten. Diese Inhaltsstoffe, zu denen Mineralien, Vitamine und sekundäre Pflanzenstoffe wie Polyphenole gehören, haben es in sich. Polyphenole gelten als gesundheitsfördernd, krebsvorbeugend und entzündungshemmend.

Allerdings gibt es sortenabhängig sehr große Unterschiede, was den Polyphenolgehalt betrifft. In modernen Sorten sind Polyphenole meistens herausgezüchtet, weil sie unter anderem Ursache für die schnelle Bräunung und den sauren Geschmack von Äpfeln sind.

Die Untersuchung sortenreiner Apfelsäfte aus alten Keltersorten zeigt sehr hohe Gesamtphenolgehalte und antioxidative Kapazitäten, die die dreifache Höhe von Säften aus Tafelobst erreichen. Keltersorten wie der Weiße Trierer Weinapfel und Bittenfelder Sämling erreichen dabei antioxidative Kapazitäten von Rotwein. Eine andere Untersuchung von Apfelsäften aus Tafeläpfeln und aus Kelteräpfeln von Streuobstwiesen zeigte, dass die Produkte aus Tafelobst nur ca. 20 bis 30 Prozent der Polyphenolgehalte von Streuobstsäften aufwiesen.

Der Bittenfelder Sämling steht hinsichtlich seiner antioxidativen Kapazitäten dem Rotwein in nichts nach. © Ulrich Kaiser

Alte Apfelsorten und ihre Vorteile für Allergiker

Alte Apfelsorten werden aufgrund ihres hohen Polyphenolgehaltes außerdem als besonders gut verträglich für Allergiker erachtet. Etwa 75% der Birkenpollenallergiker weisen auch eine Allergie gegen Äpfel auf. Dies ist darin begründet, dass das allergen wirkende Protein in Äpfeln dem in Birkenpollen sehr ähnlich ist. Viele Züchtungen neuer Tafelobstsorten zeigen vermehrte Allergengehalte und sehr geringe Polyphenolgehalte. Polyphenole können mit dem Allergen Reaktionen eingehen, die das Allergen inaktivieren. Studien zeigen, dass alte Obstsorten nicht nur gut von Allergikern vertragen werden, sondern zudem durch den Genuss eine Desensibilisierung ausgelöst werden kann.

Alte Sorten wie die 1880 gezüchtete Goldrenette Freiherr von Berlepsch, die wahrscheinlich um 1510 in der Normandie entstandene Goldparmäne oder aber der seit 1856 bekannte Schöner aus Boskoop werden als gut verträgliche Äpfel für Allergiker genannt.

Der Boskoop ist für Apfelallergiker die richtige Wahl. © Ulrich Kaiser

Sortenvielfalt der Äpfel und Apfelsorten für Allergiker

Problematisch ist, dass das in den üblichen Lebensmittelmärkten dargebotene Angebot sehr beschränkt ist. In der Regel besteht dieses aus sieben bis acht Sorten. Innerhalb von Jahrzehnten hat es hier deutliche Änderungen gegeben. Bei der Bearbeitung der in den dreißiger Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts entstandenen Kernobstlehre Richard Zorns zeigte sich, dass dieser allein 226 Sorten für seine Beschreibungen auf Märkten und in Obstgeschäften in Frankfurt und Wiesbaden gekauft hat. Die von Zorn im Besonderen detailliert beschriebenen Berner Rosenapfel, Biesterfelder Renette, Englische Spitalrenette, Jonathan, Krügers Dickstiel, Minister von Hammerstein, Mutterapfel, Ontario und Schöner aus Nordhausen gelten als gut verträglich für Apfelallergiker. Darüber hinaus finden sich bei Zorn zahlreiche regionale und lokale Sorten, welche heute verschollen oder so selten geworden sind, dass sie für Bewertungen der Verträglichkeit nicht herangezogen werden können.

Der Wallauer Glasapfel ist eine der vielen Lokalsorten in Richard Zorns Kernobstlehre. © Richard Zorn. aus „Richard Zorn: Verzeichnis aller in Deutschland angebauten Kernobstsorten“ hrsg. von Ulrich Kaiser

Auswertungen des BUND Lemgo zeigen, dass die heute in den Auslagen zu findenden Sorten wie Braeburn, Elstar, Fuji, Gala, Golden Delicious, Granny Smith, Jonagold und Pink Lady für Apfelallergiker nahezu unverträglich sind. Dabei mag auch noch eine Rolle spielen, dass der besonders unverträgliche Golden Delicious in der Apfelzucht seit 1930 eine dominante Rolle spielt. Der Pomologe Hans-Joachim Bannier hat bei seiner Untersuchung von 270 zwischen 1930 und heute gezüchteten Apfelsorten festgestellt, dass der Golden Delicious an 58 % der untersuchten Apfelsorten als Elternteil beteiligt ist. Jonagold, Elstar, Gala, Pinova, Pink Lady, Topaz, Fuji, Rubinette – sie alle haben diese Apfelsorte als Eltern- oder Großelternteil in ihrer Zucht. Zur Ehrenrettung des Golden Delicious muss allerdings erwähnt werden, dass die 1978 in den Niederlanden auch mit Anteilen des Golden Delicious gezüchtete Sorte Santana für Apfelallergiker sehr gut verträglich ist und heute vielfach als Allergikerapfel angeboten wird.

Für weitere gut verträgliche Sorten wie Berlepsch, Goldparmäne, Grafensteiner oder Zuccalmaglio müssen sich Betroffene auf die Suche begeben. Es zeigt sich, dass die Suche, die Pflege, die Verbreitung und der Erhalt seltener, alter, lokaler und regionaler Sorten eine große Bedeutung hat. Dabei können Arbeiten wie die Richard Zorns Hinweisgeber und Unterstützung zugleich sein. Mit Hilfe Zorns Ausarbeitungen war es 2011 gelungen, die verschollen geglaubte Hofheimer Glanzrenette zu finden und durch entsprechende Vermehrung vor dem Verschwinden zu bewahren. Die Veröffentlichung von Richard Zorns Kernobstlehre lieferte wichtige Hinweise, die eine Suche nach weiteren bisher verschollen geglaubten Regional- und Lokalsorten angestoßen haben.

Mittels Richard Zorns Abbildungen der Hofheimer Glanzrenette konnte die verschollen geglaubte Sorte 2011 entdeckt werden. © Richard Zorn. aus „Richard Zorn: Verzeichnis aller in Deutschland angebauten Kernobstsorten“ hrsg. von Ulrich Kaiser

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Über den Autoren

Ulrich Kaiser schloss das Biologiestudium an der TU Braunschweig mit den Schwerpunkten Zoologie, Mikrobiologie und Bodenkunde als Diplom-Biologe ab. Als Kurator ist er am Hessischen Landesmuseum für Kunst und Natur in Wiesbaden tätig. Hier zeichnete er hauptverantwortlich u.a. für die Sonderausstellung „Pomologie“ mit einem Fokus auf Richard Zorn. Er ist Vorsitzender des Vereins Streuobstroute im Nassauer Land e.V. und des Streuobstkreises Wiesbaden e.V.

Schlagwörter

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