Naturreiseführer

Gelbe Narzissen im Nationalpark Eifel: Wanderung im Frühling

von Anne Christine Martin und Stefan Feldhoff

Haben Sie in der Schule noch das Gedicht „Der Osterspaziergang“ von Johann Wolfgang Goethe auswendig gelernt:  „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche…“ Schon vergessen? Bei einem Osterspaziergang zu den Gelben Narzissen im Nationalpark Eifel werden Ihnen die Verse ganz schnell wieder einfallen.

Die Frühlingssonne erweckt die Gelben Narzissen in den Kerbtälern des Nationalparks Eifel zu neuem Leben.
© Feldhoff & Martin

Inhaltsverzeichnis

Wo wilde Narzissen blühen

Die ersten Sonnenstrahlen vertreiben rasch den aufsteigenden Nebel und lassen ein Meer von Gelben Narzissen aufleuchten. Tau liegt auf Blumen und Gräsern, Wasserperlen glitzern im Schein des erwachenden Tages.

Der Frühlingsbote Osterglocke, der geläufigere Name der Gelben Narzisse, ist in jedem Vorgarten nicht zu übersehen. In der freien Natur gedeiht sie jedoch nur im äußersten Westen Deutschlands, denn die Narcissus pseudonarcissus ist auf das feuchte, atlantisch geprägte Klima dieser Region angewiesen. Stellenweise sind in anderen Teilen Deutschlands ebenfalls Osterglocken zu entdecken – hier handelt es sich aber um Gartenflüchtlinge.

Auch wenn uns der Blütenreichtum in der Nordeifel so massenhaft erscheint, sind ihre Bestände außerhalb des Nationalparks durch landwirtschaftliche Nutzung oder durch Verbuschung stark bedroht.

Zwei für die Eifel typische Täler mit ihren Magerwiesen heißen Wüstebach und Püngelbach und befinden sich im Nationalpark Eifel. Sie werden durch künstlich angelegte Gräben zusätzlich mit Wasser versorgt. Als Wehre dienen schwere Schieferplatten, die das Wasser aufstauen und überlaufen lassen. Diese Magertriften sind Biotope für selten gewordene Pflanzen. In den Kerbtälern finden Gelbe Narzissen, aber auch Mädesüß und Bärwurz – an ihrem aromatischen Duft leicht auszumachen – ideale Lebensbedingungen, um als Wildpflanzen bestehen zu können. Sie brauchen das relativ milde Meerklima mit reichlichen Niederschlägen und Nebeltagen. In den lichten, aber feuchten Talgründen, den Siefen, wird der Frühling von den wild wachsenden Narzissen eingeläutet. Der lange Winter, dem die Höhen der Eifel oft ausgesetzt sind, ist augenblicklich vergessen. Ein solcher Tag verlockt zu einem ausgedehnten Osterspaziergang.

In den wilden und feuchten Kerbtäler der Nordeifel finden die Gelben Narzissen ihr östlichstes natürliches Vorkommen. © Feldhoff & Martin

Die Narzisse in der griechischen Mythologie

Der Name Narzisse bezieht sich auf den starken Duft der Blüten, stammt aus dem Altgriechischen: narko, was ‚betäubend‘ heißt, und auch der Wortstamm von Narkose ist. In Österreich wird sie verwirrenderweise ‚Märzenbecher‘ genannt, auch das Grimm’sche Wörterbuch führt die Gelbe Narzisse unter diesem Namen auf.

Bekannt ist aus der griechischen Mythologie der Jüngling Narkissos. Der britische Schriftsteller und berühmte Mythenforscher Robert von Ranke-Graves skizziert in seiner umfassenden griechischen Mythologie die Sage so: „Mit sechzehn Jahren bereits wies er herzlos die Liebe von Männer und Frauen zurück; er war von trotzigem Stolz auf seine eigene Schönheit erfüllt. … Da verliebte er sich in sein eigenes Spiegelbild. Zuerst versuchte er den schönen Knaben, zu küssen und zu umarmen. Aber bald erkannte er sich selbst, lag da, und schaute Stunde und Stunde verzückt auf das Wasser. … Kummer quälte ihn endlos, doch … wenigsten wußte er, daß sein Bildnis ihm treu bleibe …“ Schließlich stößt er sich einen Dolch in die Brust: „Sein Blut tränkte die Erde. Ihr entsprang die weiße Narzisse mit ihren rotgelben Herzblättern, aus der noch heute zu Chaironea ein Balsam destilliert wird. Er wird gegen Ohrenkrankheiten, als Wundheilmittel und gegen Frostbeulen empfohlen.“ Auch sei das Narzissenöl als Narkotikum wohl bekannt gewesen. Weiter erzählt von Ranke-Graves, dass Narzissen im Altertum in den Kränzen für die Göttinnen Demeter und Persephone verwendet wurden.

Eng verknüpft ist die Narzisse mit der Sage des selbstverliebten Jüngling Narkissos in der griechischen Mythologie. © Feldhoff & Martin

Narzissen und ihre reiche Verwandtschaft

Die Wildpflanze Narcissus pseudonarcissus ist sehr selten und gefährdet, sie wächst außer in der Eifel nur noch im Hunsrück und in den Vogesen. Ihr nächster Verwandter, die Weiße oder Dichter-Narzisse Narcissus poeticus, kommt bei uns als Zierpflanze vor. Ihre Heimat sind die südwesteuropäischen Gebirgen. Sowohl die Gelbe, als auch die Weiße Narzisse sind hochgradig giftig, dennoch als Gartengewächse außerordentlich beliebt.

Schon in der Antike wurden Zierpflanzen gezüchtet, bei uns erst seit etwa 500 Jahren. Heute gibt es zahlreiche Kultursorten und Hybride, etwa 24.000 Narzissensorten sind bekannt. Die Kulturformen unterscheiden sich erheblich von der Wildpflanze, ihre Blüten werden meistens erheblich größer.

Zur weiteren Verwandtschaft oder wissenschaftlich gesprochen, zur Familie der Narzissengewächse Amaryllidaceae, gehören unter anderem die Frühblüher Schneeglöckchen und Märzenbecher. Auch die zahlreichen Lauchgewächse Alliaceae, darunter unsere Küchengemüse Knoblauch, Schnittlauch, Porree und Zwiebeln, zählen zu den Narzissengewächsen. Sie alle sind Staudengewächse mit Zwiebeln oder Knollen. Dank dieser Speicherorgane können sie sich sehr gut an ungünstige Klimabedingungen anpassen, sowohl an die trockenen Sommer im Mittelmeerraum, als auch an die kalten Winter in Mitteleuropa.

Vorkommen der Gelben Narzissen sind in Deutschland rar, selten blühen sie so üppig wie hier im Püngelbacher Sief. © Feldhoff & Martin

Der Nationalpark

Im Mittelgebirge Eifel sind die unterschiedlichsten Landschaftsräume zu finden. Der Nationalpark repräsentiert die charakteristischen Waldlandschaften der nördlichen Eifel. Zu den Lebensräumen gehören neben den Laubmischwäldern zahlreiche Quellgebiete und weite Offenlandflächen. Die Flüsse Rur und Urft haben hier steile Kerbtäler ausgewaschen, die tief in die Landschaft einschneiden. Schattige Schluchtwälder mit Esche und Ahorn wechseln mit wärmeliebenden Eichenwäldern an den Südhängen.

Die Fichte wächst natürlicherweise nicht in der Nordeifel. Sie wurde nach dem 2.Weltkrieg als schnell wachsendes Nutzholz gepflanzt, fühlt sich aber im rauen Eifelklima wohl und vermehrt sich selbstständig. Im Nationalpark Eifel darf sie bleiben, was keineswegs selbstverständlich ist, da die Fichte in anderen Nationalparks argwöhnisch beäugt und häufig sogar großflächig gefällt wird.

Das Gebiet des Nationalparks umfasst rund 11.000 Hektar. Mehr als 10.000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten wurden bislang nachgewiesen. 2.000 davon gelten als gefährdet oder sind gar vom Aussterben bedroht. Es sind Tiere und Pflanzen, die auf die Lebensbedingungen in einem Schutzgebiet angewiesen sind, worauf der BUND nachdrücklich hinweist: Auf der Roten Liste stehen unter anderem Wildkatze, Biber, Fledermäuse, Uhu, Milan, Schwarzstorch und Wespenbussard. Aber auch Eisvogel, Neuntöter, Schwarz- und Mittelspecht sowie Mauereidechse und Schlingnatter kommen im Nationalpark vor. Unter den Pflanzen finden sich neben der Gelben Narzisse geschützte Arten wie die Deutsche Hundszunge, Astlose Graslilie, Moorlilie, Fieberklee, Hirschzunge und Mondviole.

Kaum eine Region der Eifel war touristisch besser erschlossen als die Rureifel. Ein Teil der Nordeifel an Rur und Urft wurde 2004 als Nationalpark Eifel ausgewiesen, dadurch sollte die Bedeutung der Region als Naturlandschaft betont werden. Das Nationalpark-Zentrum liegt auf dem Gelände der ehemals nationalsozialistischen Ordensburg Vogelsang.

Seit Januar 2006 ist das bislang militärisch genutzte Gelände für Naturfreunde zugänglich. Wie anderenorts auch konnten sich Flora und Fauna um den Truppenübungsplatz herum relativ ungestört entfalten. Seit der Ausweisung als Nationalpark rücken die Erfordernisse des Natur- und Artenschutzes mehr in den Vordergrund.

Umweltverbände engagieren sich: Der NABU Nordrhein-Westfalen setzt sich besonders für den Nationalpark Eifel ein. Auch der BUND unterstützt den Nationalpark, kritisiert aber eine Reihe von Fehlentwicklungen:

Obgleich der Nationalpark inzwischen 15 Jahre lang bestehe, sei er nur ein „Nationalpark light“. Mindestens drei Viertel der Nationalparkfläche sollten ohne menschliche Einflüsse auskommen, um eine natürliche Dynamik zu ermöglichen. Ohne Menschen heiße: zwar mit gelenkter Naturbildung und naturverträglichem Wanderwegenetz, aber ohne Jagd, waldbaulichen Maßnahmen und anderen Steuerungen. Der Wegeplan im Nationalpark sei nicht akzeptabel, auch die Regulierung des Wildbestandes sei mit dem Nationalparkgedanken unvereinbar. Weitere Kritikpunkte sind die Ortsumgehung Dreiborn und die Errichtung von Kartbahnen, Campingplätzen, Reiterhöfen usw. am Nationalparkzentrum Vogelsang.

Das Atlantische Klima sorgt für reichlich Regen in der Eifel. Beste Voraussetzungen für Gelbe Narzissen, aber auch zahlreiche andere Wildpflanzen. © Feldhoff & Martin

Wanderung in den Frühling

Das Perlebachtal – zwischen Nationalpark Eifel und dem Hohen Venn gelegen – verlockt mit seinen Narzissenwiesen zu Osterspaziergängen der ganz besonderen Art. Beispielsweise in Monschau-Alzen (an der B258) vom Wanderparkplatz Brüchelchen ins Fuhrtsbachtal hinab laufen, dem Verlauf des Fuhrtsbach nach rechts folgen bis zur Brücke Holländerhäuschen und links ins Perlebachtal abbiegen. Flussaufwärts den Perlebach entlang, zurück am anderen Ufer. Über das Gasthaus Perlbacher Mühle (das derzeit allerdings geschlossen ist. Stand April 2019) direkt wieder ins Dorf Alzen oder auf der anderen Talseite des Fuhrtsbachtals zurück zum Parkplatz.

Sind Ihnen beim Wandern die restlichen Verse des Goethegedichts wieder eingefallen? Ganz sicher doch der sprichwörtlich geworden Schluss: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein.“

Eine Wanderkarte, welche Sie an den wunderschönen Narzissenwiesen vorbeiführt, finden Sie ganz einfach unter: http://komoot.de/tour/25216079

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Über die Autoren

© Stefanie Zettler

Nach dem Studium arbeitete die Diplom-Graphikdesignerin Anne Christine Martin freiberufliche und stellte ihre graphischen Arbeiten u.a. in Berlin, London, Paris, Vilnius und Warschau aus. Seit 1987 beschäftigt sie sich mit der Fotografie und machte Pflanzen und ihre Lebensräume zu ihrem speziellen Thema.

Stefan Feldhoff studierte Journalistik und Germanistik. Zusammen mit Anne Christine Martin veröffentlicht er seit über 20 Jahren Bildbände, Reise- und Naturführer. Ihre Fotografien stellten sie gemeinsam in Erfurt, Magdeburg, Mainz, Györ, Kalisz, Kansas City, Lille und Vilnius aus. Am liebsten aber sind sie mit Kamera und Mountainbike in den Naturlandschaften Deutschlands und Frankreichs unterwegs.

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